E-Health-Debatte mit Dr. Tobias Gantner Teil I - STARTPLATZ

E-Health-Debatte mit Dr. Tobias Gantner Teil I

7. November 2017, 17:10 :: Community

Autor: Olga Rube

Unser technologisch fortgeschrittenes und hochvernetztes Leben verändert unsere alltäglichen Gewohnheiten. Auch die Gesundheitsbranche kann sich der Digitalisierung nicht länger entziehen. Wir haben Dr. Tobias Gantner, Gründer und Geschäftsführer der HealthCare Futurists GmbH getroffen. Das innovative Expertennetzwerk im Bereich Medizin versteht sich als Business Accelerator, berät wichtige Spieler im Gesundheitswesen zu Innovations- und Nachhaltigkeitsstrategien, Leadership sowie New Business Development. Die Mission: Mithilfe disruptiver Methoden das Gesundheitssystem neu definieren. Wir sprechen mit dem ambitionierten Healthcare Experten über Patientenzentrierung und Digital Health Startups, die echten Mehrwert versprechen.

 


„Die App auf Rezept bleibt erstmal ein Traum.“ Dr. med. Tobias Gantner

 

Hallo Herr Dr. Gantner, schön, dass Sie heute im STARTPLATZ sind. Die Health Care Futurists GmbH führt regelmäßig innovate.healthcare Hackathons durch. Erzählen Sie uns kurz, an welchen Themen dort gearbeitet wird.

Im Zentrum all dieser Themen, die wir da bearbeiten, steht der Patient, der Konsument von Gesundheitsdienstleistungen. Wir versuchen, das Gesundheitswesen vom und um den Patienten herum zu denken. Insofern sehen die Challenges so aus, dass wir versuchen Therapien für Patienten leichter zu machen und Digitalisierung einzusetzen, die dem Patienten einen Nutzen bringen. Unsere Hackathons zielen darauf ab, Produkte zu bauen und Prototypen zu produzieren, die direkt beim Patienten verwendet werden können. Wir wollen keine Slideware, sondern Hardware oder Software. Aus diesem Grund arbeiten wir mit einigen Experten aus dem Netzwerk zusammen, die sich mit Themen wie 3D-Druck, Laser-Cutting und Making auskennen. Wir verfügen über ein eigenes Maker Mobil – mit dem Equipment bereichern wir unsere Hackathons und können auf diese Weise vor Ort etwas Anfassbares produzieren.Wir arbeiten mit innovativen Unternehmen zusammen, denen wir die Möglichkeit geben, ihre fertigen Produkte in einer Art Sandpit beim Hackathon vorzustellen. Wir arbeiten außerdem mit Herstellern von Sensoriksystemen und Exoskeletten zusammen. Sinn und Zweck dieser Hackathons ist es, ein gangbares Geschäftsmodell zu entwickeln, das unmittelbar anschlussfähig an das Wirtschaftsgeschehen ist. Unser Fokus ist immer die Gründung. Dementsprechend kooperieren wir stark mit Menschen, die aus dem Gesundheitswesen kommen. Mit Krankenversicherungen, Arztpraxen, Krankenhäusern, Apotheken.

Wir veranstalten 3-5 Hackathons im Jahr, rotieren in Deutschland, sind Anfang Dezember in Brüssel, machen bald auch einen in Polen, Schweden und Rumänien. In Köln sind wir wieder im Januar 2018 und danach in Leipzig. Wir versuchen das Konzept den Teilnehmern näher zu bringen, so dass einer Gründung nichts mehr im Weg steht. Die Gewinner haben im Falle einer Gründung die Möglichkeit, Fördermittel zu bekommen, außerdem Coaching, Rechtsberatung, Steuerberatung etc. Deshalb arbeiten wir mit lokalen Institutionen wie der IHK zusammen, die ein Interesse daran haben, dass vor Ort gegründet wird. Unter den Sponsoren sind Pharmaunternehmen, aber interessanterweise auch Unternehmen wie Audi und Adidas, die man nicht sofort in der Gesundheitsbranche vermuten würde.

 

Bild könnte enthalten: 6 Personen, Personen, die sitzen und Innenbereich
munich.innovate.healthcare
Bild könnte enthalten: eine oder mehrere Personen
munich.innovate.healthcare
Maker Mobil beim innovate.healthcare Hackathon
 

Digitalisierung hat längst jegliche Bereiche unseres täglichen Lebens erreicht – wir shoppen online, Konzepte wie Airbnb und Uber haben unsere Reisegewohnheiten maßgeblich verändert. Warum scheint das digitale Zeitalter in der Health Care Branche noch nicht ganz angekommen zu sein?

Zunächst einmal muss man zwischen dem ersten und dem zweiten Gesundheitsmarkt unterscheiden. Zum zweiten Gesundheitsmarkt gehören all jene Leistungen, die man als Konsument selber kaufen kann. Die Leistungen reichen von Akkupunktur zu Heilsteinen, Ayurveda und Yoga, aber auch Apps und Wearables werden von der Krankenkasse nicht erstattet. Der zweite Gesundheitsmarkt ist in Deutschland 400 Milliarden Euro schwer. Wir haben es hier mit einem Konsumentenmarkt zu tun, der nicht in Anspruch nehmen kann, den Menschen zu heilen oder gesund zu machen, sondern „lediglich“ verspricht, die Lebensqualität der Nutzer zu verbessern.

Der erste Gesundheitsmarkt ist der klassische Markt und beinhaltet all jene Leistungen, die von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet werden. Im Vergleich zum zweiten Gesundheitsmarkt ist dieser Markt mit knapp 200 Milliarden Euro deutlich kleiner. Der Einstieg in den ersten Gesundheitsmarkt gestaltet sich für Startups deshalb schwierig, da man gewisse Studiendaten vorlegen muss. Das dauert. Dies ist sich insbesondere bei digitalen Produkten schwierig – es gibt ständig Updates, Upgrades etc. Bei diesen Produkten fällt es Krankenkassen schwer zu bewerten, was so eine digitale Intervention überhaupt kann. Es gibt ein paar Ausnahmen, beispielsweise Tinnitracks, die von einzelnen Krankenkassen erstattet werden, aber auch hier geschieht die Erstattung nicht flächendeckend. Die App auf Rezept – davon träumen noch alle. Das ist ein langer Prozess, für den finanzielle Mittel, profunde Marktkenntnis und das nötige Know-How benötigt wird.

In Ihrem TED Talk „Power to the Patients“ sprechen Sie außerdem darüber, wie wichtig es ist, Arzt und Patient auf Augenhöhe zu bringen. Auf welche Weise kann dies umgesetzt werden?

Ich möchte mich auf einige Startups besinnen, die es zu verstehen wussten, Patient Empowerment zu leben. Das inzwischen etablierte Unternehmen Was hab ich? beschäftigt sich mit dem Übersetzen von Arztbefunden ins Deutsche. Für Patienten, die nie zuvor Latein in der Schule hatten, kann ein Arztbrief mehr Verwirrung als Aufklärung stiften. Dass der Patient begreift was ihm fehlt, das ist für mich eine Art Empowerment. Die digitale Sprechstunde ist eine andere Form von Patientenzentrierung. Was in den Arztpraxen für gewöhnlich passiert ist folgendes Szenario: Der Patient sitzt am einen, der Arzt am anderen Tischende, der Computer steht zwischen Arzt und Patient. Authentisches und vertrautes Kommunizieren ist kaum möglich. Arztsein heißt für mich, dass ich mit dem Menschen, der mir gegenübersitzt, interagiere. Dazu gehört auch, dass ich meine volle Aufmerksamkeit meinem Patienten schenken kann, anstatt Daten in den Computer zu tippen. Wir versuchen momentan in Praxen Probeläufe mit einer Art ALEXA/Siri durchzuführen, bei denen der Arzt die Möglichkeit hat, genau diese Daten während des Gesprächs aufzuzeichnen. So entsteht nicht nur eine Zeitersparnis und produktiveres Interagieren zwischen Arzt und Patient. Der Patient auf der anderen Seite hat den Vorteil, dass er auf das Gespräch beim Arzt zurückgreifen kann.

Solche Gründungen führen meines Erachtens in die richtige Richtung, wenn es um Patientenzentrierung geht. Wir entfernen uns von der Prämisse des Arztes als allwissenden Gott hin zu einer Zukunft, die den Patienten zum Herrn seiner eigenen medizinischen Umstände macht.

Wir bedanken uns bei Dr. Tobias Gantner für das aufschlussreiche und angenehme Gespräch und freuen uns auf Teil II der eHealth-Debatte!

Du brennst für Medizin und möchtest mit deinen Ideen etwas bewegen? Du willst Kontakte mit wichtigen Spielern der Gesundheitsbranche knüpfen und potenielle Investoren für dein Digital Health Startup kennenlernen? Dann komm zum innovate.healthcare Hackathon in Köln!

Hier geht’s zur Anmeldung!

 

 


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