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26. Februar 2019, 19:41 :: Aktuelle Trends | Allgemein
Autor: Olga Rube
Newsflash: „The internet isn’t going anywhere.“ Gute Neuigkeiten für diejenigen, die sich schwerelos durch die digitale Welt manövrieren können und sich damit auf ein lukratives Gehalt freuen dürfen. Dass entsprechendes Know-How in Programmieren und Webentwicklung hartnäckig unter den Top 5 der gefragtesten Skills in der Berufswelt rangiert, sollte nicht überraschen. Und doch ist es um die technische Bildung an deutschen Schulen nicht ansatzweise rosig bestellt. Nachholbedarf besteht also an zahlreichen Stellen – doch wo gilt es anzusetzen, um das Bildungssystem nachhaltig auf eine digitale Zukunft auszurichten?
Barbara Engels studierte Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universitat Pompeu Fabra in Barcelona und der New York University. Als Wirtschaftswissenschaftlerin forscht sie seit knapp drei Jahren am Institut der deutschen Wirtschaft zu den Themen Strukturwandel und Wettbewerb und widmet sich in umfassenden Studien Digitalthemen wie etwa Cybersecurity & Sharing Economy, Datenschutz & E-Government. Konkreter, welche Auswirkungen die digitale Transformation auf Unternehmen und Märkte hat. Vor drei Monaten fasste sie den Entschluss, sich selbst – losgelöst vom Forschungsaspekt – einem digitalen Selbsttest zu unterziehen und im Rahmen der SmartNinja Codingschule die Programmiersprache Python zu erlernen. Ob dieser Schritt den Weg in eine selbstbestimmte Zukunft geebnet hat? Engels scheint guter Dinge.
“Mein beruflicher Alltag erfordert das Arbeiten mit einer Menge Daten. Oft bin ich dabei von bereits vorhandenen und aufbereiteten Datensätzen abhängig. Durch den Kurs von SmartNinja wollte ich mich dazu befähigen, selbstständig Daten aus dem Internet per API oder auch per Webscraping zu ziehen und mir damit neue Datenquellen zu eröffnen. Der Python-Kurs hat hierfür den perfekten Anstoß gegeben,” so Engels.
“Ein klares Ja! Der typische Fokus auf Fächer wie Mathe und Physik ist längst nicht mehr ausreichend. Zusätzlich sollte auf Fächer gesetzt werden, die technisches Verständnis und Basics im Programmieren vermitteln. Diese Grundlagen sind essentiell, nicht nur für diejenigen, die eine Karriere als Developer anstreben. Auch in meinem VWL-Studium fehlte mir der Praxisbezug. Die Basics im Coden habe ich mir anwendungsbezogen selbst beigebracht. Dass die Zeit für Selbststudium neben dem eigentlichen Curriculum oft zu knapp ist, muss ich wohl keinem Studenten erzählen. Generell würde ich mir wünschen, dass digitale Bildung viel früher Einzug in Schulen findet.”
Engels’ Kritik am deutschen Bildungswesen findet sich im handfesten internationalen Kontext wieder: Denn vergleicht man das digitale Bildungssystem mit anderen europäischen Ländern, bewegt sich der technische Lehrplan an Deutschlands Schulen mit reichlich Mühe im Mittelfeld. Wo in Ländern wie Großbritannien, Finnland und Estland die Vermittlung von Programmierkenntnissen bereits in der Grundschule, teilweise sogar ab der ersten Klasse auf dem Curriculum steht, darf der deutsche Durchschnittsschüler in digital Hinsicht bestenfalls eine durchschnittliche Ausbildung genießen.
Marianne Ohm, Wirtschaftsingeneurin und Gründerin beobachtet diese Bildungslücke mit Erschrecken. Als CEO bei codiviti, einem EduTech Startup aus dem STARTPLATZ Köln, das Kindern im Alter von acht bis zwölf Jahren Technik spielerisch näherbringen will, glaubt sie an die natürliche Lernfähigkeit von Kindern:
“Digitale Bildung ist im Zeitalter des Internets wichtiger denn je. Dabei reicht es nicht, einen Technikraum mit High-End-Computern auszustatten. Gerade Kinder sollten die Chance haben, sich dieses Wissen so früh wie möglich anzueignen, idealerweise schon ab dem Alter von 6 Jahren. Denn digitale Mündigkeit ist längst nicht nur die Fähigkeit, technische Mittel nutzen zu können, sondern auch sie kritisch zu hinterfragen und mitgestalten zu können,“ so Ohm.
Ohm’s und Engels’ Statements begründen sich in extensiven Studien, die sich mit dem Thema Digital Skill Gaps beschäftigen und damit, wie sich diese Lücken im Bildungssystem schließen lassen. So beschäftigt sich die von Kantar TNS durchgeführte Sonderstudie Schule digital etwa mit der Frage, welchem Wandel sich der Umgang und Zugang zu Wissen unterzieht. Ein erschreckend geringer Anteil der Befragten Schüler (gerade einmal 27 %) gab an, eine Programmiersprache (etwa Java, C++, Scratch, Logo) zu beherrschen, bei den Lehrkräften sind es lediglich 21 %. Eine klare Mehrheit von 57 % der befragten Schüler vertraten am anderen Ende des Spektrums die Meinung, dass die Vermittlung von Programmierkenntnissen heutzutage grundlegender Bestandteil der Schulbildung sein müsse. Und auch aktuelle Erkenntnisse einer Studie von Statista auf Basis rund 2000 Befragter über 18 Jahren platzieren Programmieren auf Platz 4 der Schulfächer, die als Pflichtfächer gelten sollten. Ergebnisse, die im Umkehrschluss suggerieren, wie akut der Wunsch junger Schüler ist, technische Kenntnisse so früh wie möglich zu erlernen und zu festigen.
Befragte Lehrer äußerten sogar Besorgnis in Hinsicht auf die spürbare Überlegenheit, die sich seitens der Schüler bemerkbar mache:
“Die Lehrkräfte müssen unbedingt Weiterbildungen in diesen Bereichen erhalten, sonst sind die Jugendlichen den Lehrkräften hoffnungslos überlegen.” – Statement einer befragten Lehrkraft
Die Bilanz: Auch wenn das Bildungssystem noch einer steilen Klippe entgegensieht, ein wichtiger Schritt in Richtung digitale Zukunft dürfte spätestens seit letztem Jahr getan sein: Köln gilt mit mehr als 166.000 Entwicklern neuerdings als Tech-Hochburg. Wenn das kein funkelnder Hoffnungsschimmer ist.