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17. August 2016, 19:22 :: Allgemein
Autor: Johannes Gräf
Heute im Interview: Heinrich Rauh, Deutschland Chef von Archibald Optics, dem ersten Londonder Startup, das im Zuge des Brexit seinen Standort von London nach Deutschland verlegt hat. Archibald Optics hat sich dabei allerdings nicht für Berlin, sondern für Köln und den STARTPLATZ entschieden. Heinrich Rauh erzählt über die Vorzüge von Köln und die Folgen, die der Brexit für Londonder Startups hat.
Wir, von Archibald Optics, produzieren und vertreiben handgefertigte japanische Brillen. Unser Konzept ist es, extrem hochwertige Waren zu einem Preis anzubieten, der für einen Konsumenten ohne den Zwischenhändlerprozess erschwinglich ist. Unsere Brillen kann man ab 200 Euro kaufen. Da wir die Brillen nur online vertreiben, können wir sie zu einem fairen Preis anbieten. Würden wir die Brillen hingegen beim Optiker verkaufen, müsste der Kunde wegen Lagerkosten, Versicherungskosten und Zwischenhändlern das Vierfache des aktuellen Preises zahlen. In unserem Sortiment haben wir 16 Modelle in unterschiedlichen Farben. Gegründet wurde Archibald Optics 2014 von Rohan Dhir in London und bereits ein Jahr später durch einen weiteren Standort in den USA erweitert.
Das ist eine lustige Geschichte. Rohan Dhir, unser Gründer, hat seinen Master damals in New York abgeschlossen. Bereits während seines Studiums hat er mit dem Gedanken gespielt ein eigenes Brillen-Label zu gründen. Im Rahmen eines Gründerstipendiums wurde ihm die Möglichkeit geboten einen führenden Brillenhersteller in Italien zu besuchen, um einen ersten Einblick in Produktionsbedingungen vor Ort zu bekommen. Dabei hat er festgestellt, dass 90% aller Einzelteile aus China kommen. Deshalb die Überlegung, direkt in China zu produzieren, um den Prozess zu vereinfachen. Bei einem anschließende Aufenthalt in China wurde er mit den klassischen Klischeevorstellung konfrontiert: eine Industrie, die auf Massenware ausgelegt ist mit einem Minimum an Arbeitsschutz. Diese Umstände lokaler Fabrikarbeiter wollte er nicht unterstützen und hat seine eigene Gründungsidee somit in Frage gestellt. Auf dem Rückweg in einer Hotelbar in Singapur hat er ein Gespräch mit einem Mann angefangen und von seiner gescheiterten Geschäftsidee erzählt. Der Mann hat ihm daraufhin von der japanischen Brillenproduktion einer Region Japans berichtet und ihm seine eigene, japanische Brille gezeigt, die er bereits seit 16 Jahren trug Der Mann, den er an der Hotelbar kennen gelernt hat, hieß Archibald, deshalb Archibald Optics. Wir haben heute leider keinen Kontakt mehr zu ihm.
Wir sind ein klassisches E-Commerce Unternehmen. Zurzeit bekommen wir unsere Waren aus Japan und verschicken sie von England nach ganz Europa. Wir brauchen zwei Wochen vom Zeitpunkt der Bestellung bis hin zur Auslieferung des Produktes. Wenn eine Zwischenbarriere hinzukäme, würde sich dieser Prozess extrem ausdehnen. Am Beispiel der Schweiz wissen wir um die Probleme, die dadurch auftreten können: lange Wartezeiten, Zollkosten und dadurch auch einen erschwerten Kundenservice.
Wir haben in unserem Team oft über den Brexit diskutiert, aber alle nicht daran geglaubt, dass er wirklich eintritt und dachten es wird schon alles gut gehen. Ist es aber nicht…
Die Entscheidung für Deutschland und gegen London fiel natürlich nicht über Nacht. Wir haben lange darüber nachgedacht und sind auch schon vor der Entscheidung des Brexits mögliche Szenarien durchgegangen.
Wir haben uns schon seit Ende 2015 intensiv mit dem deutschen Markt auseinandergesetzt. In Zuge dessen haben wir im April dieses Jahres für anderthalb Monate einen Popup Store in Berlin eröffnet um zu testen, ob den Leuten unsere Brillen gefallen. Es gab sehr viele positive Rückmeldungen, Verkäufe und Medienanfragen, was uns im Vorsatz, den deutschen Markt zu erschließen, bekräftigte.
Unter anderem wurde die Website übersetzt und Gespräche mit Logistikpartnern geführt. Natürlich müssen wir nicht sofort nach dem Brexit handeln, da sich der ganze Prozess hinziehen wird und bis die Verträge unterschrieben sind, wird es einige Zeit dauern. Wenn der Brexit dann allerdings vollzogen ist, haben wir einen unglaublichen Vorteil gegenüber der Konkurrenz in England, wie beispielsweise zeitliche Ersparnisse. In England war es so, dass die meisten Talente, die wir rekrutiert haben, Europäer waren und keine Engländer. Dementsprechend gab es für uns auch keinen zwingenden Grund in England zu bleiben. Unser Team ist international: Der CTO ist Italiener, der Logistiker Japaner und die Designerin kommt aus Singapur.
In der näheren Auswahl standen für uns dann nach dem Brexit Schottland und Deutschland. Schottland aufgrund der Nähe zu London und da die Schotten stets betont haben in der EU verbleiben zu wollen. Wir haben uns letztendlich für Deutschland entschieden.
Ja ich habe mich für Köln als Standort entschieden und das obwohl ich selber aus Berlin stamme. Köln hat, gegenüber Berlin, für Londoner Startups viele Vorteile.
Zum einen ist ganz klar der Standort Köln mit seiner relativen Nähe zu London zu nennen.
Die nähst gelegene Großstadt Londons, auf dem europäischen Festland, ist Brüssel, direkt danach kommt schon Köln. Es gibt schnelle Zugverbindungen zwischen London und Köln, was für unsere Mitarbeiter sehr wichtig ist, die ihr Leben in England aufgebaut haben und jetzt nach Deutschland ziehen.
Dazu kommt das riesige Einzugsgebiet Kölns. Berlin ist eine kleine Insel, zwar mit vielen Menschen und ordentlicher Wirtschaftskraft, aber Köln ist die größte Stadt in einem Ballungsgebiet von 20-30 Millionen Menschen, die man viel besser und direkter ansprechen kann. Für uns ist natürlich auch die Nähe Düsseldorfs als Fashion Standort entscheidend. Mein Eindruck ist außerdem, dass es hier in Köln in der Startup-Szene seriöser zugeht als in Berlin. Hier werden eher Geschäftsmodelle umgesetzt, die gut finanziert und durchdacht sind. In Berlin wird auch gerne mal experimentiert, was dann ab und an nicht so gut funktioniert.
Wir haben bereits in London in einem Coworking Space gearbeitet und wollten das in Deutschland fortführen. In Köln habe ich neben dem STARTPLATZ auch 2-3 andere Coworking Spaces angeschaut, aber bei ihnen nicht das gefunden, was mir bei einem Coworking Space wichtig ist: das man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann, kurze Wege hat um Experten für verschiedene Bereiche wie z.B. für E-Commerce oder Google Adwords zu fragen und das ohne groß suchen zu müssen. Und genau das ist hier am STARTPLATZ gegeben. Es gibt viele Events und Möglichkeiten sich zu vernetzen. Alleine schon beim Kickern, bei dem man jeden Tag neue Menschen kennen lernt.
Außerdem habe ich im STARTPLATZ mit dem Ökosystem in Köln und Düsseldorf bisher positive Erfahrungen gemacht. Bei meinem ersten Besuch in Köln habe ich beim Startup Weekend teilgenommen und einen Rheinland-Pitch besucht, um die Startup-Szene im Rheinland kennen zu lernen, wovon ich sehr angetan war. So ist die Entscheidung für den STARTPLATZ letztendlich ziemlich leicht gefallen.
Für manche wird es nicht wichtig sein, da es natürlich auch Geschäftsmodelle gibt, welche man online von überall vertreiben kann.
Die Grundstimmung der Londoner Startups ist aber so, dass viele überlegen, ob London die Zukunft ist oder lieber ein neuer Standort gewählt werden sollte. Insbesondere Fintech Startups aus London stehen vor dem Umzug auf das europäische Festland. Der europäische Markt ist einfach um ein vielfaches größer und lukrativer als der britische Markt. Ich glaube, dass es in der Startup-Szene eine Bewegung weg von London geben wird!
Lustigerweise verkaufen wir unsere in Japan hergestellten Brillen noch nicht in Japan.
Das wollen wir unbedingt ändern. Japan ist aber ein ganz anderer Markt, da muss man gut aufgestellt sein und die nötigen Kapazitäten sowie Ressourcen haben. Eine japanische Version der Website ist bereits im Aufbau, einen Customer-Service auf Japanisch anzubieten ist dagegen deutlich anspruchsvoller. Aber natürlich ist der japanische und asiatische Markt in Zukunft für uns sehr spannend.
Außerdem wollen wir unsere Produktionspalette erweitern und Accessoires und Taschen aus Leder zu erschwinglichen Preisen anbieten. Luxus funktioniert durch Knappheit und den Preis. Wenn man festlegt, die Tasche kostet 3.000 Euro, dann heißt es in den Köpfen der Kunden direkt: hoher Preis ist gleichbedeutend mit toller Qualität. Man macht den Luxus natürlich auch einer bestimmten Zielgruppe durch den Preis zugänglich.
Wir sehen uns selbst nicht als Luxusmarke, da wir nicht diese preisliche Verknappung eingehen wollen. Wir leben nach dem Motto, dass man früher ja auch zum Schuhmeister gegangen ist um sich die Schuhe machen zu lassen, die dann zehn Jahre gehalten haben.
Unser Ziel ist es das Handwerk zu unterstützen und zu einem guten Preis anzubieten!
Dann bedanken wir uns für deine Zeit und deine ehrlichen und interessanten Antworten!