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3. Mai 2018, 19:35 :: Allgemein | Corporate Services
Autor: Olga Rube
Beitragseinnahmen von mehr als vier Milliarden Euro im Jahr und rund 4,1 Millionen Mitgliedern machen Gothaer zu einem der führenden Versicherungspioniere in Deutschland. InsurTech Startups, die im Sturm den Markt erobern, aber auch die Ausrichtung von Veranstaltungsreihen wie der InsurTech Week in Köln sind ein Zeugnis für den Wandel in der Assekuranz. Mit Emanuel Issagholian, Leiter Digitalisierung & Datenmanagement bei Gothaer, sprechen wir über die neuesten Trends in der Versicherungsbranche und erfahren, wie Digitalisierung in einer traditionellen Branche gelingen kann.
Guten Tag Herr Issagholian! Die Gothaer war letztes Jahr im Rahmen der ersten InsurTech Week beim Disrupt.Me! dabei. Dabei wurde im Bereich der Lebensversicherung das Geschäftsmodell der Arbeitskraftabsicherung offengelegt und von den Teilnehmern „angegriffen“. Welche Erfahrungen habt ihr aus dem Format mitgenommen?
„Mit dem Fokus auf Berufsunfähigkeit und Absicherungskonzepte hatten wir vergangenes Jahr die Möglichkeit, uns beim Disrupt.Me von den spannenden Ideen und Denkrichtungen einer bunt gemischten Gruppe aus Studenten, jungen InsurTech Entrepreneuren und etablierten Akteuren der Branche inspirieren zu lassen. Den daraus resultierenden Input konnten wir im Nachgang in unserem Geschäftsalltag bei Gothaer aufgreifen. „Keine der Arbeitsgruppen aus dem Disrupt.Me! Workshop hat ihre Idee letztlich weiterverfolgt. Dennoch haben wir das Format als wertvoll erlebt und einige gute Impulse mitgenommen, die wir in unserem nächsten Projekt rund um dieses Thema wieder aufgegriffen haben.“
Mit beinahe 200 Jahren Versicherungserfahrung hat die Gothaer im Laufe der Jahre jede Menge Veränderungen durchlebt – das Thema Digitalisierung war sicher stets präsent?
„Das stimmt, Veränderungen waren schon immer ein großes und wichtiges Thema bei der Gothaer. Das bleibt in fast 200 Jahren Firmengeschichte auch nicht aus – diverse Währungsreformen, zwei Weltkriege, die Wiedervereinigung, aber auch Entwicklungen von der Schreibmaschine zum Computer. Ein wirklich neues Thema ist aktuell aber die zunehmende Geschwindigkeit der technologischen Veränderungen. Diese erfordert nicht nur von Versicherern eine wesentlich größere Veränderungsgeschwindigkeit als früher und stellt Unternehmen vor große Herausforderungen – schließlich richten sich die Kundenerwartungen regelmäßig an dem aus, was sie von digitalen Leadern wie z. B. Amazon kennen. Das primäre Ziel gelungener Digitalisierung sollte deshalb immer sein, Technologie dafür zu nutzen, Produkte, Leistungsversprechen und Prozesse ganz eng an den Kundenbedürfnissen auszurichten. Natürlich führt das auch dazu, Prozesse effizienter zu machen. Am Ende des Tages gilt es, mit den Herausforderungen der Digitalisierung zu wachsen und das eigene Geschäftsmodell nach vorne zu bringen. Meiner Ansicht nach ist es deshalb umso wichtiger, eine gute Balance zwischen Geschäftsmodellinnovation und Modernisierung des Bestehenden zu finden, und so Veränderung nachhaltig zu gestalten.“
Welche Chancen sehen Sie hinsichtlich der Digitalisierung im Versicherungswesen? Und welchen Herausforderungen muss sich die Branche stellen?
„Wir sehen uns schon jetzt mit einer hohen Veränderungsgeschwindigkeit konfrontiert und müssen uns in Zukunft sogar auf ein noch höheres Veränderungstempo einstellen. Dies bringt ein hohes Maß an Komplexität und Unsicherheit mit sich und erfordert daher eine bessere Adaptionsfähigkeit der Organisation. Andernfalls wird man sich nicht schnell genug an veränderte Rahmenbedingungen des Marktes anpassen können. Hier haben wir in den letzten Jahren bereits viel geschafft, gleichzeitig bleibt das aber weiterhin eine zentrale Herausforderung.“
„Was ich als besonders positiv wahrnehme, ist die Tatsache, dass agile Methoden zunehmend an Akzeptanz gewinnen. Viele haben verstanden, dass die Reise in diese Richtung geht und wir uns andere Arbeitsweisen aneignen müssen, um mit dem Veränderungstempo Schritt zu halten.“
Welche Maßnahmen ergreift die Gothaer konkret, um digitale Konzepte voranzutreiben?
„Wir arbeiten zurzeit mit Hochdruck am Ausbau und der Modernisierung unserer IT-Infrastruktur. Konkret modernisieren und konsolidieren wir unsere Bestandsführungssysteme, arbeiten an der Weiterentwicklung und Optimierung unseres Inputmanagements, konsolidieren unsere Datenlandschaft uvm. Zudem ist Künstliche Intelligenz ein großes Thema. Hier feilen wir z. B. an ersten Cases, um Prozesse schlanker zu gestalten.
Die Anforderungen an Versicherer haben sich in den letzten Jahren drastisch geändert: Versicherer müssen sich zunehmend dem Druck stellen, schneller reagieren zu müssen. Das bedeutet nicht zuletzt, sich an Innovationsmethoden heranzutasten, die früher nicht derart stark im Fokus standen. Ganz konkret haben wir beispielsweise im letzten Jahr erstmals die Methodik „Design Sprint“ eingesetzt. Hierbei ging es in erster Linie darum, eine konkrete Problemstellung anzugehen, zu verstehen und Lösungsansätze zu erarbeiten, um daraus Prototypen zu bauen und zu erproben. An dieser Stelle hat unser Team im Sprint Nägel mit Köpfen gemacht: Innerhalb von vier Tagen wurde in Zusammenarbeit aller wichtigen Stakeholder sowie Endkunden eine konkrete Idee erarbeitet, ein Prototyp gebaut, mit echten Kunden verprobt, nachgebessert und nach nicht ganz 100 Tagen zum finalen Roll Out gebracht. Ein super Ergebnis, denn in unserer Branche reden wir typischerweise über deutlich längere Release-Zyklen. Das Team war so positiv angetan von der Methodik, dass sie diese gleich im nächsten Projekt in diesem Jahr wieder eingesetzt wurde.“
Arbeitet Gothaer bereits mit Startups zusammen bzw. sind Kooperationen geplant?
„Wir sind stets auf der Suche nach ambitionierten Startups, die sich mit der Entwicklung von Leistungsangeboten oder Applikationen beschäftigen, die an irgendeinem Punkt unseres Geschäftsmodells relevant sein können – entweder um unseren Service für unsere Kunden zu verbessern bzw. zu optimieren oder unser Leistungsversprechen zu erweitern. Als privater Krankenversicherer spielt da beispielsweise der eHealth-Sektor eine wichtige Rolle und es bieten sich Kooperationen mit Startups dieser Branche besonders an. Auf der anderen Seite suchen wir aber auch junge Unternehmen, die als Produktgeber oder Dienstleister fungieren. So arbeiten wir u. a. mit dem Team von MySchleppApp zusammen. Wer eine Hausratversicherung mit E-Bike-Schutz bei der Gothaer abgeschlossen hat, kann im Falle einer Panne per Mobile Device die Leistungen des Abschleppdienstes nutzen.“
Was erhofft ihr euch von der Teilnahme an der diesjährigen InsurTech Week?
„Wir freuen uns auf die Vernetzung mit interessanten Menschen und Startups, die sich mit Leidenschaft dem Thema Versicherungen widmen. Darüber hinaus erhoffen wir uns durch die Teilnahme bei der InsurTech Week die Kontaktaufnahme zu Startups mit vielversprechenden Geschäftsmodellen und freuen uns darauf, neue Dinge mit vereinten Kräften anzupacken und die Zukunft der Versicherungsbranche gemeinsam zu gestalten.“
Über Emanuel Issagholian
Während und nach dem dualen Studium zum Finanz- und Anlagemanager war er zunächst im Vertrieb als Vorsorgeberater und Trainer selbstständig. Seit 2012 ist er bei der Gothaer und übernahm vor 1,5 Jahren in der Rolle des CDO den Aufbau und die Leitung des Bereichs Digitalisierung & Datenmanagement. Gemeinsam mit seinem Team treibt er die Digitalisierung sowie den Einsatz agiler Methoden im Konzern voran, verantwortet den Aufbau eines zentralen Data Warehouse und sammelt Erfahrungen im Umgang mit und Einsatz von Künstlicher Intelligenz und prädiktiver Analytik.
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