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22. Juni 2016, 12:45 :: Aktuelle Trends
Autor: Victoria Blechman
Wearables auf dem Vormarsch
Ein ganz normaler Büroangestellter geht pro Tag etwa 1.500 Schritte, ein Briefträger kommt auf 15.000. Um der Volkskrankheit „Sitzen“ entgegenzuwirken und einen gesunden Lebensstil zu unterstützen, werden 10.000 Schritte am Tag empfohlen. Herauszufinden wie viele Schritte wir am Tag gehen, ist seit dem Vormarsch der Wearables ein Leichtes. Kleinste tragbare Elektronik, die wir teils 24/7 nah am Körper tragen, macht es möglich.
Smartphones sind aus unserer Tasche nicht wegzudenken. Wir fühlen uns nackt, wenn das Smartphone zu Hause oder im Auto vergessen wird. Manch einer nutzt das mobile Endgerät, als wäre es angewachsen. Mit der Entwicklung einer neuen Generation von kleinster mobiler Elektronik geht der Schritt nun tatsächlich dort hin. Bereits jetzt gibt es Konzepte kleinster Elektronik, die direkt auf der Haut getragen (elektronische Pflaster) oder unter die Haut implantiet werden (epidermale Elektronik). Weit verbreiteter und etablierter sind die Wearables, wie Apples Smartwatch, die Google Glasses, Fitbit oder auch Bluetooth-Headsets und -Hörgeräte.
Was sind Wearables?
Wearables sind der neueste Computing-Trend. Laut CCS Insight werden 2018 etwa 350 Millionen Menschen Wearables nutzen. Sie sollen Dinge und Prozesse vereinfachen, indem sie dem Nutzer mehr Informationen vermitteln oder den Zugang zu Informationen erleichtern, wobei einige Geräte beide Funktionen miteinander kombinieren. So müssen Daten nicht mehr einzeln mit verschiedenen Geräten erhoben (z.B. Schrittmesser) und in einer App gesammelt werden. Am Ende des Tages, der Woche oder des Monats erhalten wir aus den Unmengen an gesammelten Daten eine Zusammenfassung oder Analyse und können sehen, wie gut oder schlecht wir in diesem Zeitraum unseren vorher gesetzten Zielen näher gekommen sind oder umgesetzt haben.
Da Wearables am Körper getragen werden und den Nutzer tagtäglich begleiten, sind Faktoren wie Eleganz und Ästhetik wichtig und stellen eine Herausforderung an das Design dar. Daher ist die Elektronik ganz unscheinbar in dekorativen Armbändern (z.B. Fossil Q) oder Uhren versteckt. Anders gedacht, werden Accessoires und Uhren mit zusätzlichen nützlichen Funktionen ausgestattet, um dem Nutzer den Alltag zu erleichtern. Sie sind mit unterschiedlichen Sensoren bestückt, die Daten aufzeichnen und eigenständig verarbeiten oder mittels Bluetooth 4.0 Low Energy Technik oder NFC-Funk an andere Geräte, wie Smartphones oder Notebooks, übermitteln oder synchronisieren.
Großer Markt im Gesundheitswesen
Zu den beliebtesten Funktionen zählen Features, die Gesundheits- oder Sportdaten (Aktivitäts-Monitoring) erfassen. Es werden Schritte gezählt, verbrauchte Kalorien vermerkt oder der Schlafrhythmus ausgezeichnet. Beispiele dafür sind die Fitbit oder Jawbone Fitnessbänder. Manch ein Wearable Gadget (spezielle digitale Uhren mit geeigneter Displaygröße) kann sogar Anrufe entgegennehmen, Nachrichten anzeigen oder auf Termine hinweisen (Beispiel Apple Watch oder Pebble). Das Smartphone, auf das die Uhr zurückgreift, muss dabei nicht unbedingt am Körper getragen werden sondern kann im Büro oder Auto liegen bleiben. Eine weitere „Verlängerung des Smartphones“ sind smarte Brillen. Mit Google Glasses kann beispielsweise das Gesehene dokumentiert und gleichzeitig eingehende Nachrichten in der Brille angezeigt werden.
Smart Clothing
Noch unmittelbar näher am Körper sind Entwicklungen im Smart Clothing Bereich. Neben dekorativen Effekten, können Textilien auch nützliche Funktionen aus dem Gesundheitsbereich haben und mit Schrittzählern, Pulsmessern oder Navigationshilfen ausgestattet sein. Die Entwicklungen in diesem Bereich stehen jedoch noch ganz am Anfang, da die Bezahlbarkeit der Textilien eine große Barriere in der Entwicklung darstellt.
Wearables in der Medizin
Auch im medizinischen Sektor werden Wearables genutzt. Ähnlich wie bei den bereits verbreiteten Fitnesstrackern können so Gesundheitswerte permanent überwacht werden. Blutwerte, Gewicht, Herzfrequenz oder Schlafrhythmus werden erfasst und im optimalen Falle zur Erkennung und Behandlung gewisser Erkrankungen beitragen. Sogar Empfängnisverhütung kann mit Wearables angegangen werden. Das Startup „trackle“ aus Bonn entwickelt gerade einen tragbaren Temperatursensor, der die fruchtbaren Tage im Zyklus bestimmt.
Einen Schritt weiter gehen Entwicklungsansätze, bei denen Wearables unmittelbar auf der Haut getragen werden, wie beispielsweise elektronische Pflaster, die eine Versteifung von Arterien erfassen sollen. Dabei stehen die Entwickler unter anderem vor der großen Herausforderung, Material zu entwickeln, das biegsam, dehnbar, verträglich oder auch abbaubar ist, sowie der Suche nach geeigneten Energiequellen und die Form der Datenübertragung.
Was ist mit Datenschutz?
Die Möglichkeiten, das Potential und der Nutzen von Wearables ist groß. Allerdings stößt die Entwicklung auch auf Kritik. Eine wesentliche Herausforderung ist es, die mit den Wearables erhobenen Daten zu sichern und den Datenschutz zu gewährleisten, da es sich um besonders intime, sensible Daten handelt.
Wenn Daten ausschließlich für die persönliche Analyse genutzt werden, ist das Problem gering. Kritisch wird es, wenn die Gesundheitsdaten an Ärzte, Krankenkassen oder Versicherungen weitergegeben werden und diese beispielsweise Inzentiven für 10.000 Schritte am Tag geben, jedoch jemanden bei Nicht-Erreichen die Unterstützung streichen oder reduzieren. Damit wird das Wearable zu einem Kontrollinstrument. Bereits jetzt gibt es Bezuschussungen zu Smartwatches durch Krankenkassen.
Wenn die sensibelsten, intimsten Daten nicht mehr privat sind, was bedeutet dann noch Privatsphäre? Jede Handlung ist anhand der Daten nachvollziehbar. Auch ortspezifische Daten werden damit erhoben. Wie und wohin sich der Mitarbeiter beispielsweise während der Arbeitszeit bewegt, lässt sich damit feststellen. Selbst emotionales Befinden lässt sich bereits anhand von Stirnbändern messen. Die Hoffnung dabei ist, Kosten für gesundheitliche Maßnahmen zu reduzieren und Arbeitsprozesse zu optimieren; die Grenze zwischen Optimierung und Überwachung ist jedoch sehr schmal. In Deutschland schützt die Mitarbeiter und Kunden noch das Datenschutzrecht. Stimmen die Kunden nicht nicht zu, ist eine Datenerhebung unzulässig. Gegen die Datenerhebung ist jedoch nichts einzuwenden, wenn der Mitarbeiter oder Kunde sowohl seine Zustimmung gibt als auch keine Sanktionen bei Nicht-Mitwirken drohen. Doch besteht immer die Gefahr, dass die Daten missbraucht werden oder Transparenz darüber fehlt, welche Daten erhoben und wie diese letztendlich genutzt werden.
Optimierungswahn und Leistungsdruck
Auch auf persönlicher Seite ist der Umgang mit Wearables (besonders mit Gesundheitstrackern) nicht ohne Gefahr. Wenn alle Bewegungen und Handlungen aufgezeichnet, kontrolliert und analysiert werden, kann es zu einem Gefühl von Leistungsdruck kommen. Bin ich gestern mehr gelaufen als mein Kollege? Wer kam am entspanntesten durch den Tag? Doch nicht nur der Konkurrenzdruck muss kritisch betrachtet werden. Besonders der Druck sich selbst gegenüber sollte nicht vergessen werden. Hab ich mich heute mehr bewegt als gestern? Gestern waren die Werte noch besser. Leiste ich genug? Wann erreiche ich mein Ziel?
Wearables treffen auf eine Optimierungsgesellschaft, die mit Selbsthilfe-Apps und -büchern immer höher, besser, schneller, weiter und zu einem neuen, verbesserten Ich gelangen will. Sie zeichnen unsere Schwächen auf und zeigen uns, dass wir allein für das Erreichen oder Nicht-Erreichen verantwortlich sind. Es liegt in unserer Hand und wenn wir uns genug anstrengen, kommen wir an unser Ziel. Mit der Aufzeichnung und Analyse können wir dort ansetzen und alles dafür tun, an der Schwäche zu arbeiten.
Natürlich kann und sollte man die Bandbreite der Wearables nicht in einen Topf werfen. Die Entwicklungen im medizinischen Bereich sind vielversprechend. Schon jetzt tragen wir ja Elektronik, wie Herzschrittmacher o.ä., an uns. Innovative Entwicklungen in diesem Bereich sind also nur der nächste Schritt.
In der privaten Nutzung sind die Wearables mit mehr Vorsicht zu genießen. Sie können uns durch die Datenerfassung Dinge und Prozesse bewusst machen, von denen wir nichts wussten. Ein verantwortungsvoller Umgang und Verständnis der Wearables ist dringend notwendig, um dem gesellschaftlichen, von uns gestalteten Leistungsdruck, standzuhalten. Innovationen sind dazu da, uns das Leben zu erleichtern, nicht, um es schwerer zu machen.
Quellen:
http://www.spektrum.de/news/elektronik-die-unter-die-haut-geht/1412927
http://t3n.de/news/wearables-schoene-neue-welt-615833/
https://entwickler.de/online/iot/wearables-arbeitsplatz-tool-ueberwachung-192783.html