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28. September 2015, 14:00 :: Allgemein
Autor: Victoria Blechman
„Wie war noch mal deine E-Mail-Adresse? Dann schicke ich dir das Geld gleich per Paypal.“ Die E-Mail Adresse wird genannt, das Smartphone gezückt und in Binnen von Minuten die Rechnung für das gemeinsame Essen beglichen. Kein Karte-aus-dem-Portemonnaie-kramen oder Aufsagen der 22 Ziffern der IBAN. Im Zeitalter der Smartphones sollen Zahlungsvorgänge schnell und unkompliziert laufen – und komplett bargeldlos. Das verspricht die FinTech-Branche, wie beispielsweise das Geld-App Startup swish, die das Bezahlen per SMS ermöglicht. FinTech (financial services und technology) bringt die Finanzdienstleistungsbranche in das digitale Zeitalter und kombiniert damit Aufgaben der Finanzbranche mit modernsten Technologien (Hardware und Software). Die meist jungen Unternehmen der Branche reagieren damit auf die Veränderung der Kundenbedürfnisse, die im Kontext individueller Ansprüche, Mobilität und Vernetzung schnellere, einfachere, flexiblere und damit kundenzentrierte Finanzlösungen suchen. Bestehende Verfahren sollen vereinfacht werden, sodass zu jeder Zeit und an jedem Ort finanzielle Transaktionen möglich sein können.
Viele neue Ideen in der FinTech-Branche ermöglichen den Kunden Funktionen der Bank zu nutzen, wie beispielsweise Bezahlvorgänge durchzuführen oder Kredite aufzunehmen, ohne dabei Banken direkt einzubinden. Diese sind zwar im Hintergrund noch aktiv, doch laufen viele der Prozesse über die Software der Startups ab. Eine Lizensierung als Bank ist für die Startups dabei nicht notwendig, was den Eintritt in den Markt und die Umsetzung erleichtert. Es ist für junge Unternehmen ohnehin kaum möglich mit der Gesetzgebung im Bankwesen eine Banklizenz zu erhalten sowie das nötige Kapital dafür aufzubringen. Diese Lizenz wäre jedoch nötig, um die wichtigsten Funktionen einer Bank, wie Zahlungsabwicklung und Kreditvergabe, selbst durchzuführen.
Im speziellen geht es darum, auf die Ansprüche und Bedürfnisse der modernen Kunden an das traditionelle Bankwesen zu reagieren und eine Effizienzsteigerung der Prozesse im Banksystem zu ermöglichen. Damit bietet die Branche innovative Lösungen für eingestaubte Prozesse oder entdeckt Nischen, die bislang durch die großen Banken noch unentdeckt geblieben sind. Damit dringen sie in Teilbereiche des Bankwesens ein und stehen in gewisser Form als Konkurrenten gegenüber. Auf der anderen Seite können Startups Aufgabenfelder erobern, die für Banken durch hohe Overheadkosten nicht profitabel wären. Die Innovationen der FinTech Branche beziehen sich auf verschiedene Bereiche, von Mobile-Payment über Crowdfinanzierungsformen zu Geldanlagen oder Finanzverwaltung, sogar die Entwicklung eigener Währungen wie Bitcoin oder der Stars-Währung von Starbucks zählt dazu. Mittlerweile reagieren die Banken und gehen auf die digitale Transformation durch Kooperationen mit Startups aus der FinTech-Branche ein, um Kundenbeziehungen nicht zu verlieren, da sie bereits heute über Dienste wie Paypal oder Sofortüberweisungen nur noch im Hintergrund beteiligt sind.
Das Startup vexcash kooperiert beispielsweise mit der net-m Privatbank oder SmartÜberweisung mit der Deutschen Bank AG. Die Commerzbank sorgt mit der Gründung des Tochterunternehmens Main Incubator GmbH schon bei den ersten Schritten der FinTech-Startups für Unterstützung und agiert als Anker-Investor. Damit kann die Infrastruktur, das Know-How und der Datenstamm der Banken genutzt und mit den neuen, agilen und modernen Anwendungen der Startups kombiniert werden. Das Interesse an der neuen Branche ist groß. Die Anzahl der weltweiten Venture Capital-Investitionen in FinTech-Unternehmen stieg laut Statista (Stand 2015) von 55 im Jahr 2010 auf 216 im Jahr 2014. Das weltweite Investitionsvolumen betrug 2010 noch 520 Millionen US-Dollar. 2014 lag die Zahl schon bei 2,8 Milliarden US-Dollar. In Deutschland wird die Entwicklung in der FinTech-Branche gedämpfter gesehen. Zwar schießen auch hier FinTech-Startups aus dem Boden, doch ist fraglich, ob Deutschland für diese Branche der richtige Markt ist. Zu den deutschen Startups gehören beispielsweise Payleven und cringle (Mobile Payment), elefunds und fraisr (Spenden), Kreditech, Auxmoney und Decimo (Kreditvergabe) sowie Number26 und Fodor (Finanzverwaltung).
Im Vergleich mit den skandinavischen Ländern, wie Schweden oder Dänemark, oder den Vereinigten Staaten, hinkt Deutschland in seinem Nutzungsverhalten hinterher. Dort ist die Bezahlung mit bargeldlosen Methoden, wie beispielsweise mit der Kreditkarte, ganz natürlich und überall möglich. Die Innovationsbereitschaft ist höher und folglich fallen neue, digitale Bezahlmethoden, Programme und Apps auf fruchtbaren Boden. Kritische Stimmen sagen sogar schon ein Sterben der FinTech-Branche in Deutschland voraus. Nach Carsten Maschmeyer (AWD-Gründer und Startup-Investor), hätten nur etwa 10% der deutschen Startups eine Überlebenschance. Mangelndes Vertrauen in Startups, die sich noch keinen Namen in den Dimensionen der großen Banken machen konnten, zu viele Schritte im Registrierungsprozess, in denen zusätzlich noch zu viele Daten erfragt werden, wirken den Zielen der Technologie entgegen und geben das Gefühl als Nutzer transparent zu sein. Zudem verlieren Bezahlvorgänge im Vergleich zu Barzahlungen an Anonymität, Transaktionen können somit stärker kontrolliert werden. Für die private Finanzverwaltung durchaus positiv, wenn das Vertrauen in den Anbieter jedoch noch nicht vorhanden ist, könnte dies eine Hürde für den Kunden darstellen.
Datenschutz spielt dabei eine enorm wichtige Rolle und muss nicht nur gewährleistet sondern auch transparent für den Kunden dargestellt werden. Auch hardwareseitig zeigen sich Probleme. Kontaktloses Bezahlen mit der NFC-Technologie (Near Field Communication) ist zwar möglich. Doch obwohl die Technologie in vielen EC-Karten und Smartphones vorhanden ist und der Einzelhandel (wie Aldi Nord, Lidl und Mediamarkt) vereinzelt bereits darauf reagiert hat, scheint sich die Technologie in der Praxis jedoch noch nicht durchzusetzen. Ein flächendeckendes Bezahlsystem wäre ein Schritt in die richtige Richtung, um den Verbrauchern die Vorteile eines solchen Bezahlsystems näher zu bringen. Dass sich das Bankenwesen zukünftig immer stärker digitalisieren und anpassen muss, ist notwendig um mit der allgemeinen Entwicklung Schritt zu halten.
Derzeit wird die FinTech-Branche bei dieser Entwicklung als disruptiver Faktor gesehen, die den großen Banken vor Augen führt, dass diese zu lange nicht auf die Veränderungen der digitalen Welt reagiert haben. Dafür bieten die kreativen Köpfe der FinTech-Branche Lösungen. Um sich jedoch durchzusetzen und nicht im Flickenteppich der FinTech-Startups zu verschwinden ist (zumindest in Deutschland) die Kooperation mit großen Banken notwendig. Diese Entwicklung kann zu mehr Vertrauen und Akzeptanz der Technologie führen und den Weg für weitere FinTech-Innovationen ebnen. Allerdings sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die notwendige Kooperation zur Abhängigkeit der jungen Unternehmen von den großen Banken führen kann, was viele Startups in eine Nische zurück drängen würde. Die große Frage ist nun, wie sich das Verhältnis zwischen Banken und Startups gestalten wird.
Ob die Banken mit eigenen Innovation nachziehen und damit unabhängige Startups der FinTech-Branche in ihre Nischen zurück treiben oder ob sich diese Startups auch ohne Kooperation etablieren können, werden wir in den kommenden Jahren sehen. Für alle Interessierten findet am 08.10.2015 die zweite große FinTech Konferenz bei uns im Startplatz statt. Mit dabei sind unter anderem Jochen Sieger (traxpay), Gernot Overbeck (Fintura), Joschka Friedag (Cringle), Jana Koch (comdirect), Susanne Krehl (Barzahlen), Tim Schneider (FinTech Weekly), Ralf Heim (Fincite), Thomas Müller (voola), Philipp Kalwies (Decimo) und Benjamin & Alexander Michel (dwins). Wir danken unseren Sponsoren Railslove und Bank-Verlag schon vorab für die tolle Unterstützung. Die Anmeldung dazu findet ihr hier. Ebenso finden in unregelmäßigen Abständen die FinTech Meetups im Startplatz statt, die Zeit zur Vernetzung und Diskussion zum Thema FinTech bieten. Die nächsten Termine findet ihr hier.